Praxisbeispiel 4:
Überlaufende Zeitkonten trotz ausreichender Personaldecke
Ausgangslage
In diesem vollkontinuierlichen Produktionsbetrieb laufen die Zeitkonten der Belegschaft über. Viele der 200 Beschäftigten schaffen es nicht einmal, die Überstunden im vereinbarten Ausgleichszeitraum von 12 Monaten durch Freischichten wieder abzubauen, obwohl schwankende Auftragslagen dies rechnerisch eigentlich ermöglichen sollten. Bild 1 zeigt das aktuelle 4-Gruppen-System mit einer Netto-Wochenarbeitszeit von 39,38 Stunden; fast 3,5 Stunden über der tariflich vereinbarten Wochenarbeitszeit von 36,00 Stunden. Das sind auf das Jahr gerechnet ca. 23,5 Freischichten. Die Entstehung von Überstunden liegt auf der Hand. Innerhalb der Belegschaft gibt es keine systematische Freischichtenregelung. So werden häufig gerade am Anfang des Jahres keine Freischichten eingeplant, dann kommt die Urlaubszeit und danach können nicht alle Beschäftigten gleichzeitig Freischichten machen.Die Folgen sind klar:
- Gefahr von Überstunden ist sehr hoch, wenn Freischichten nicht gewährt werden können!
- Hohe Belastung für Beschäftigten, die viele Überstunden vor sich herschieben.
- Aufwand bei der immer wieder notwendigen Zuteilung von Freischichten (ca. 23 im Jahr) ist groß.
Bild 1
Rahmenbedingungen
Die Belegschaft in diesem Produktionsbetrieb besteht aus ca. 200 Vollzeitkräften, die auf 4 Gruppen mit je 50 Beschäftigten aufgeteilt sind.Die Mindestbesetzung pro Schicht beträgt 34 Beschäftigte.
Die Anzahl der Freischichten beträgt ca. 23,5.
Bei einer Schichtzeit von 8,00 Stunden; abzgl. einer Pause von 30 Minuten ergibt sich eine Arbeitszeit von 7,50 Stunden.
Die tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt 36,00 Stunden.
30 Tage Urlaub, 6,5 % Krankenstand, 4 sonstige Fehltage pro Jahr und Arbeitskraft.
Ziele
- Abklärung, ob ausreichend Personal vorhanden ist
- Feste Einplanung gerecht verteilter und verlässlicher Freischichten in das bestehende 4-Gruppen-System.
- Einbau von Flexibilität, um auch kurzfristig genügend Personal bei hoher Auftragslage zu haben.
Handlungsschritte und Lösung
1. Schritt:
Zunächst muss geklärt werden, ob ausreichend Personal vorhanden ist. Dazu wird eine sorgfältige Personalbedarfsrechnung durchgeführt. In diese Berechnung fließen u.a. folgende Größen ein: Betriebsstunden pro Tag und Woche, Arbeitsstunden pro Woche, tarifliche Wochenarbeitszeit, Ausfalltage (Urlaub, Krankenstand, Weiterbildung, sonstige Fehlzeiten), erforderliche Mindestbesetzung (in diesem Fall 34 Beschäftigte). Das Ergebnis der Personalbedarfsrechnung zeigt in diesem Produktionsbetrieb, dass die Belegschaft von 200 Beschäftigten ausreichend ist. Personalunterdeckung ist also nicht der Grund für die überlaufenden Konten.2. Schritt:
Die feste Einplanung von Freischichten in das bestehende 4-Gruppen-System (Bild 1) ist der nächste Schritt. Dazu werden die 4 Schichtbelegschaften A bis D in 5 Untergruppen aufgeteilt, so dass jede Untergruppe letztlich aus 10 Beschäftigten besteht. Die Abbildung 3 verdeutlicht das Prinzip und zeigt einen Ausschnitt des Plans für alle Gruppen bis zum Beginn der 6. Woche. Die Freischichten sind dunkel markiert. In diesem Fall werden sogar mehr als die rechnerisch notwendigen 23,5 Freischichten pro Jahr verplant. Die Beschäftigten erhalten somit einen Schichtplan mit geringerer als die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit von 36,00 Stunden. Die fehlenden Stunden können durch Arbeitseinsätze während der geplanten Freischichten ausgeglichen werden. Darin besteht die Flexibilität; ausreichend Personal ist somit immer kurzfristig verfügbar. An die Planung der Freischichten werden drei Anforderungen gestellt:- Die Freischichten sollten so eingeplant werden, dass - selbst wenn die Beschäftigten während der Freischichten eingesetzt werden - eine gesundheitlich und sozial verträgliche Schichtabfolge erhalten bleibt.
- Es wird eine "gerechte" Verteilung der Freischichten für alle Beschäftigten angestrebt.
- Eine vorhersehbare Abfolge der Freischichten sollte vorliegen, so dass sowohl die Betriebsleitung als auch die Beschäftigten einen verlässlichen Schichtplan haben.
Eine "gerechte" Verteilung der Freischichten bedeutet, dass alle Schichtarten (Früh / Spät / Nacht) und alle Schichtabfolgen (FFSSNNN / FFFSSNN / FFSSSNN) gleichermaßen berücksichtigt werden. Dies führt zu 21 Freischichten pro Zyklus; eine günstige Aufteilung besteht darin, Blöcke zu je 3 oder 2 Tagen zu nehmen. Das hat mehrere Vorteile: es ist jeweils nur eine Schichtart frei, die 7 Arbeitstage in Folge werden z.T. verkürzt, bei Arbeitseinsatz kommt es maximal wieder zu 7 aufeinanderfolgenden Arbeitstagen, kürzere und längere Freizeitblöcke wechseln sich ab. Eher ungünstig, aber nicht zu vermeiden ist es, dass freie Tage während der Spätschichten die Schichtfolgen trennen.
Werden die Schichtbelegschaften wie hier in 5 Gruppen aufgeteilt, verteilen sich die 21 Freischichten über einen Zeitraum von 20 Wochen; damit wird eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 31,5 Std. erreicht. Diese niedrige Stundenzahl erlaubt einerseits den Einsatz der Beschäftigten auch während der Freischichten, andererseits auch eine Weiterführung des Schichtplans bei niedriger Auslastung. Damit man immer den Überblick behält, sollten die Arbeitszeitkonten weiter geführt werden.
Bild 2
Bewertung der Lösung:
Negativ: | Positiv: |
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Fazit:
Gerade ausufernde Zeitkonten sollten immer der Auslöser sein, um das eigene Schichtsystem zu überprüfen. Obwohl der Betrieb über ausreichend Beschäftigte verfügt, kommt es trotzdem dazu. Es ist aus der Praxis bekannt, dass Überstunden häufiger bei 4-Gruppen- als bei 5-Gruppen-Systemen entstehen. Gerade bei größeren Belegschaften muss das nicht sein, wenn Freischichten fest einplant werden. Wenn dann noch Flexibilität eingebaut wird, umso besser. Beschäftigte und Betriebsleitung sind mit der neuen Regelung zufrieden!(Bildquelle: Software BASS 5 - System zur computergestützten Gestaltung und Bewertung von Arbeitszeitsystemen)