GAWO Praxisbeispiel 3

 

Praxisbeispiel 3:

Ältere Belegschaften — Gestaltung altersgerechter Schichtsysteme

 

Ausgangslage

Bild 1

In diesem vollkontinuierlichen Produktionsbetrieb wird schon ewig der abgebildete Schichtplan mit 4-Gruppen gefahren. Die Beschäftigten sind diesen Schichtrhythmus gewohnt und schätzen die längeren Freizeitblöcke zwischen den Schichtwochen. Doch vor allem die ältere Belegschaft brauchen immer mehr Zeit, um sich von den langen Arbeitswochen, insbesondere von den 7 Nachtschichten in Folge, zu erholen. Wenn dann auch noch die notwendigen Freischichten zur Erreichung der tariflichen Arbeitszeit häufig nicht gewährt werden können, wird die Belastung schnell zu hoch. Die Folgen für die älteren Beschäftigten sind klar:

  • Risiko für Ermüdung steigt am Ende der Arbeitswoche (6. und 7. Tag!) deutlich an. Nicht jeder Beschäftigte ist dann noch in der Lage die volle Leistung zu bringen.
  • Bedarf an reiner Erholungszeit erhöht sich, so dass auch die langen Freizeitblöcke immer weniger für soziale Aktivitäten genutzt werden können.

Rahmenbedingungen

Die Belegschaft in diesem Produktionsbetrieb besteht zu 30% aus Beschäftigten mit einem Alter von 50 Jahren und mehr. Es gibt nur wenig Fluktuation. Wer einmal angefangen hat, in diesem Betrieb zu arbeiten, bleibt meist das gesamte Arbeitsleben.
Die tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt 37,5 Stunden.

 

Ziele

Erstellung eines ergonomischen Schichtsystems, mit dem auch folgende altersgerechte Gestaltungsziele realisiert werden können:
  • Reduzierung der Wochenarbeitszeiten; Ausbau von Altersfreizeit und Teilzeit
  • Reduzierung von Nachtarbeit
  • ausreichende Erholzeiten auf der Schicht

Handlungsschritte und Lösung

1. Schritt:
Zunächst ist zu prüfen, ob sich der Arbeitskräftebedarf in der Nacht reduzieren lässt, so dass die Gesamtzahl an Nachtschichten für die älteren Beschäftigten (oder auch für die gesamte Belegschaft) verringert werden kann. Möglicherweise können auch bestimmte Tätigkeiten generell tagsüber geleistet werden. Um älteren Beschäftigten auch mal eine Auszeit von der Schichtarbeit zu ermöglichen, sollten sie hin und wieder auch Perioden mit reiner Tagarbeit ableisten können.
 
2. Schritt:
Im nächsten Schritt muss geprüft werden, ob die Erholzeiten auf der Schicht insgesamt ausreichen und ob der Wechsel aus Belastung und Erholung stimmt. Die Tätigkeit muss über die ganze Schicht forderungsgemäß ohne große Beeinträchtigungen — auch von der älteren Belegschaft — durchführbar sein.
 
3. Schritt:
Entwicklung eines neuen Schichtplans mit 5 Gruppen. Die Datenbank mit Musterlösungen für Standardprobleme liefert Ideen und Lösungsansätze. Bild 2 zeigt einen 5-Gruppen-Plan mit einer durchschnittlichen Brutto-Wochenarbeitszeit von 33,60 Stunden. Die höhere tarifliche Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden kann z.B. durch 3 feste Bringschichten in der Früh (grüne Zellen mit Bezeichnung Fr) erreicht werden. Auf das Jahr gerechnet ergeben sich pro Beschäftigten ca. 25 Bringschichten.

Bild 2

4. Schritt:
Im letzten Schritt sollte überlegt werden, wie die Anzahl der Einbringschichten für ältere Beschäftigte reduziert werden kann. Weniger Einbringschichten bedeuten weniger Arbeitszeit und damit eine Belastungsreduktion für die ältere Belegschaft. Der Nachteil liegt auf der Hand: weniger Arbeitszeit bedeutet meistens weniger Einkommen.
Folgende Möglichkeiten sind denkbar:
  • individuelle Teilzeit; z.B. bei 90% verbleibt ca. 1 Einbringschicht pro Jahr.
  • Umrechnung der Schichtzulage in Arbeitszeit; z.B. bei Umrechnung von 10% Schichtzulage verbleibt eine Arbeitszeit von 34,1 Stunden (37,5 / 110) und somit nur ca. 4 Einbringschichten pro Jahr.
  • Altersfreizeiten zur Reduzierung der Einbringschichten nutzen.

Bewertung der Lösung:

Negativ: Positiv:
  • Die niedrige Ø-Wochenarbeitszeit im 5-Gruppen-Plan erfordert von den Beschäftigten Einbringschichten
  • z.T. einzelne freie Tage, wenn Einbringschichten geleistet werden
  • Die niedrige Ø-Wochenarbeitszeit im 5-Gruppen-Plan erfordert von den Beschäftigten Einbringschichten, die für ältere Arbeitskräfte reduziert werden können und somit zu geringerer Arbeitszeit und Belastungsreduktion führen
  • max. 4 Nachtschichten in Folge
  • min. 2 freie Tage nach Nachtschichtfolge
  • 2 komplett freie Wochenenden in 5 Wochen
  • max. 4 Spätschichten in Folge
  • längere Freizeitblöcke
  • Vorwärtswechsel
  • max. 4 Arbeitstage in Folge (5 Arbeitstage bei Einbringschicht möglich)
  • Gefahr von Überstunden gering

 

Fazit:

Reduzierung von Nachtarbeit, eine optimierte Pausengestaltung sowie ein 5-Gruppen-Plan mit geringerer Wochenarbeitszeit sind Maßnahmen zur alters- und gesundheitsgerechten Gestaltung. Die damit erreichte Belastungsreduzierung verbessert die Beschäftigungs- und Leistungsfähigkeit älterer Arbeitskräfte.

(Bildquelle: Software BASS 5 - System zur computergestützten Gestaltung und Bewertung von Arbeitszeitsystemen)